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Nachdenken

#25

Beitragvon beitrag@gottleubatalbahn.de » 30.03.2005 - 21:28

Beitrag von beitrag@gottleubatalbahn.de »

Ich habe als sechsjähriges Kind die Bahn noch erleben dürfen. Unser Reiseziel war Langenhennersdorf. Wenn ich heute in Pirna am Südbahnsteig stehe, kommen Erinnerungen wie Bilder in mir hoch.
Noch sehe ich das Gemisch aus ein paar Güterwagen, Reichsbahn- wie die alten badischen Wagen und natürlich auch die Damplock (BR 86 ?) zur Abfahrt bereitstehen. Und Wehmut überkommt mich ob der Verwaisung dieser wunderschönen Bahn....
Nun meine Frage als zunächst Neugieriger :
Gibt es Gedanken an eine teilweise Wiederinbetriebnahme dieser Bahn - Wäre das überhaupt machbar oder völlig absurd ???
Wer kann mir eine Antwort darauf geben ?

K. Beirich
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#26

Beitragvon beitrag@gottleubatalbahn.de » 31.03.2005 - 19:54

Beitrag von beitrag@gottleubatalbahn.de »

Hallo Herr Beirich,

die Strecke konnte ich leider nur noch nach der Stilllegung des unteren Streckenabschnittes kennen lernen.

Gibt es Gedanken an eine teilweise Wiederinbetriebnahme dieser Bahn - Wäre das überhaupt machbar oder völlig absurd ???

Völlig absurd ist es auf keinen Fall. Ja, es gab und gibt immer wieder solche Gedanken. Auch ich hatte solche und habe diese Frage an einige Personen/institutionen gestellt. Ich muss jedoch zu Beginn hinweisen, dass ich kein Mitglied des Vereins bin und somit auch nicht im Namen des Vereins sprechen kann. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes :-) hier meine Gedanken dazu:

Keine komplette Strecke zwischen Pirna und Gottleuba mehr

(1) Das Gebiet ist entweiht. Würde eine neue Strecke geplant und beantragt, müssten neue, strengere Regeln (ich denke da besonders an die ehemals ungesicherten BÜs in Pirna) befolgt werden, so dass eine Streckenführung, wie sie historisch vorhanden war, nicht mehr möglich ist.
(2) Einige Grundstücke sowohl in Pirna (z.B. Neundorf) als auch in Berggießhübel und Gottleuba sind bereits in Privateigentum und haben eine Umnutzung erfahren.
(3) Die Konkurenz zum Bus im Pirnaer Stadtverkehr ist unerwünscht und meiner Meinung nach unrentabel, wenn nicht eine Zuggeschwindigkeit von > 50 km/h erreicht werden kann. (Ist dann die Zugreise auch noch romantisch?)
:arrow: Der Zug ist leider mit der Entscheidung zur Rationalisierung zu Beginn der 1960er Jahre abgefahren. Mit der Einstellung des Personenverkehrs 1973 auf der PGl-Linie ist die Bahnstrecke in die Bedeutungslosigkeit gefallen. Die Teilstilllegung 1976 war eine logische Konsequenz. Mit dem vorhandenen Reststück in Pirna, dass nur für den Güterverkehr sinnvoll war, konnte nichts anderes passieren, außer irgendwann stillgelegt und entweiht zu werden. Selbst der Wunsch nach Rationalisierung in den 1960er Jahren war weniger ideologischer als wirtschaftlicher Natur. Leider hat dabei niemand an eine Zukunft gedacht, in der eine Eisenbahnlinie zur Attraktivitätssteigerung führen kann, was bei unserer PGl-Linie der Fall gewesen wäre.
Jetzt gäbe es sicherlich einen Bedarf in Bad Gottleuba - Berggießhübel nach einer zusätzlichen touristischen Attraktion. Eine romantische Bahnfahrt im Gottleubatal wäre da eine wunderbare Ergänzung. (Punkt)

Alte Trasse - neue Pläne

Auf der gesamten Trasse ist nach wie vor ein internationaler Fahrradweg (Fördermittel!!) geplant. Über diesen gibt es widersprüchliche Aussagen. Bei der Anfrage im Tiefbauamt Pirna im Mai 2004 bekam ich die Antwort, dass es noch nicht einmal einen Grobplan gäbe und Pirna in den nächsten drei Jahren nicht an eine Umsetzung glaubt. Da Dohma als "Streckenteilinhaber" kaum Interesse an der Beteiligung zur Finanzierung eines für Dohmaer kaum erreichbaren bzw. nutzbaren Radweges haben wird, wurde im Tiefbauamt der Radweg etwas skeptisch gesehen. In Berggießhübel erfuhr ich, dass es bereits einen Plan gab, jedoch wieder verworfen bzw. nicht weiter verfolgt wurde. Eine weitere Aussage, habe ich gehört, dass das Landratsamt das Projekt "Internationaler Radweg" auf die oberste, linke Ecke der Prioritätenliste gesetzt hat und innerhalb der nächsten zwei Jahre etwas wird...

So scheint der Internationale Radweg Wunsch aller zu sein, dessen Umsetzung immer unwahrscheinlicher wird, da zumindest in Pirna neugebaute Straßen (B172 und der Straße am PEZ) wieder für den Radweg umgestaltet werden müssten, was nach heutiger Finanzlage nach einem Kompromiss aussieht. Selbst in Bad Gottleuba-Berggießhübel müsste der 1998 gebaute Terrainkurweg sicherlich umgestaltet bzw. umgenannt werden?

Der Streckenabschnitt zwischen Pirna und Pirna-Süd scheint nicht im Radwegplan zu stehen, da 2001/2003 einerseits eine Umgehung für die B172 und andererseits ein Flutkanal auf diesem Abschnitt geplant war. Die Umgehung wird's wahrscheinlich nach dem Neubau der B172 am BÜ Dresdner Straße nicht. Der Flutkanal würde vor dem BÜ Dresdner Str. aufhören oder es muss noch nachträglich ein Tunnel gebaut werden? hmm.

Neben dem Internationalen Radweg gibt es noch den Wunsch einen Wander-/Fahrradweg zwischen Pirna-Neundorf und Berggießhübel auf der alten Trasse zu errichten. Der Wille ist da - das Geld fehlt. Die Trasse gehört der Bahn, die nur zu utopischen Preisen verkaufen will. Und da gibt es in Pirna-Neundorf noch eine Kleinigkeit: Es gibt bereits keine Verbindung zwischen öffentlichen Wegen und alter Trasse mehr (Auskunft der Stadt Pirna) = Grundstücksabkauf?

Teilstreckenneubau
Nach den oben stehenden Plänen würde ein Plan zum Teilstreckenneubau wahrscheinlich strikt abgelehnt. Die Frage wäre vielleicht, ob es eine Art "Pioniereisenbahn" 15-Zoll-Spurweite geben kann.
Rentieren muss es sich, alle Auflagen müssen erfüllt werden. Die Planung, Beantragung und der Bau sind wahrscheinlich eine wahre Lebensaufgabe ;-)

So gesehen ist noch alles offen, obwohl es bereits einen konkreten, nicht näher spezifizierten Wunsch gibt, und wenn es genügend gute Argumente für einen Teilstreckenneubau gibt, man schnell genug ist, Arbeitsplätze schafft und viel Eigenkapital mitbringt, sollte so einem Projekt nichts im Wege stehen. ;-)

Viele Grüße und für jede Berichtigung und Gedankenerweiterung dankend,
Tobias Nitsche

p.s.: Haben Sie noch Dokumente zur Strecke, die für eine Ausstellung genutzt werden können (natürlich wenn möglich als Reproduktion, damit die Originale bei Ihnen bleiben können)?
beitrag@gottleubatalbahn.de

#27

Beitragvon beitrag@gottleubatalbahn.de » 01.04.2005 - 12:40

Beitrag von beitrag@gottleubatalbahn.de »

Hallo Herr Nitsche,
über Ihre umfassende Antwort habe ich mich sehr gefreut !
Ich habe wohl (damals unbewußt) als Sechsjähriger den Abschied vom Eisenbahnbetrieb auf der Strecke miterlebt. Nach Langenhennersdorf fuhren meine Eltern mit mir noch mit der Bahn. Das war irgendwie vormittags bei schönem Wetter. Am Nachmittag des selben Tages mußten wir in einen Bus (Tatrabus mit Anhänger) steigen. Ich kann mich noch erinnern das ich die Welt nicht verstanden habe. Das war 1970 vor meiner Schuleinführung. Wie ich später erfahren habe, basierte die Einstellung des Personenverkehrs der PG-Linie auf einem Ministerratsbeschluß - "Verlagerung des Transportes von der Schine auf die Straße"- und sicher, der Personenverkehr mag sich sich auf der Strecke nicht mehr rentiert haben.
Heute wäre aber nach gesundem Menschenverstand (!) jedwede Schinenalternative ein Gewinn für Nutzer und Umwelt. Natürlich, gesunder Menschenverstand sei zu hinterfragen....
Sei es wie es sei, schön das es einen Verein gibt, der sich mit der Geschichte der Bahn befasst, der trotz einer Entweihung der Bahnanlagen Bewahrenswertes schützt, wiederaufbaut.
Leider bin ich lediglich im Besitz des Buches vom Verlag Kennig : "Die Sekundärbahnen zwischen Pirna, Bad Gottleuba und Großcotta".
Allerdings wäre da noch mein Vater, vielleicht hat er das eine oder andere alte Foto oder kennt Quellen. Schaun wir mal. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende !
Viele Grüße,
Klaus Beirich
beitrag@gottleubatalbahn.de

#28

Beitragvon beitrag@gottleubatalbahn.de » 04.04.2005 - 14:35

Beitrag von beitrag@gottleubatalbahn.de »

Hallo Herr Beirich,

Mir sind auch viele Ideen rund um die ehemalige Bahnstrecke bekannt. Das Problem für die Realisierung dieser Ideen liegt immer in der Finanzierung. Wir vom Verein Bahnhof Langenhennersdorf e.V. wissen wovon wir sprechen. Wir können für uns behaupten die ersten gewesen zu sein, die etwas zum Erhalt der historischen Strecke (Anlage) getan haben und das alles ohne öffentliche Gelder! Dies war nur möglich Dank der Unterstützung durch das Kolping-Bildungszentrum für Pirna GmbH, die im Rahmen Ihrer Berufsausbildung Teilabschnitte übernommen haben! Wir würden uns freuen, wenn unserem Beispiel noch einige folgen!

Vieleicht sehen wir uns am 03.07. zum Bahntag. Wir öffnen auch dazu unseren Bahnhof in Langenhennersdorf!

Viele Grüße
Maik
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#29

Beitragvon beitrag@gottleubatalbahn.de » 04.04.2005 - 19:35

Beitrag von beitrag@gottleubatalbahn.de »

Hallo maik,

obwohl ich Ihrem Anspruch, die ersten zu sein, die etwas zum Erhalt der historischen Strecke getan haben, nicht zu stimmen kann, da es z.B. seit 1999 einen "Bahnlehrpfad" in Berggießhübel gibt, möchte ich Ihnen hier noch einmal meine Hochachtung für das Geleistete am Bahnhof Langenhennersdorf zum Ausdruck bringen!
Es ist beachtlich, in welcher kurzen Zeit die Sanierungen am und im Bahnhofsgebäude voranschreiten. Wie sie bereits erwähnten, ist die Finanzierung aller bisherigen Ideen immer das Problem gewesen. So ist es anzuerkennen, dass die Finanzierung des Bahnhof Langenhennersdorf funktioniert.
Ein weiterer Punkt für das Scheitern vieler Ideen ist sicherlich Ihr Umfang – ich denke da an den Wiederaufbau der Strecke –, sowie deren Finanzierung nach der Sanierung. So finanzieren sich historische Anlagen nur dann, wenn es noch ein abgesichertes Nutzungskonzept gibt. Im Falle eines Streckenneubaus wäre dieses allemal eine unsichere Vermutung, da es zu viele unbekannte Faktoren gibt. Ebenfalls wenig aussichtsreich ist ein großflächiges Museum, wenn die Anlage nicht anderweitig gut Geld "abwirft". Denn meiner Meinung nach bringen museale Bereiche in der Stadt Bad Gottleuba-Berggießhübel nicht so viel Geld ein, wie sie für ihre Unterhaltung benötigen. Dies verdeutlicht auch, dass der Erhalt eines historischen Ambientes nicht durch die an der der Strecke Pirna-Gottleuba beteiligten Gemeinden erreicht werden kann, da der Nutzen aus der Wiederherstellung einer Anlage oder eines Anlagenteils in keinem Verhältnis zum notwendigen Aufwand für die Gemeinde steht.
Dennoch hat uns der Verein "Bahnhof Langenhennersdorf e.V." gezeigt, wie es gehen kann. Denn durch Gemeinnützigkeit, Ideologie und etwas Wagemut konnte der Bahnhof Langenhennersdorf als Bahnhof der historischen Strecke Pirna–Gottleuba gesichert werden.
Im Nachhinein wird Ihnen die Gemeinde diese Tat danken, da sie, wenn auch nur in einem kleinen Maße, die Attraktivität des Ortes erhöht :).
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